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| 1 | title: Stellungnahme des CCC zum Staatstrojaner | ||
| 2 | date: 2016-08-18 08:00:00 | ||
| 3 | updated: 2016-08-18 08:52:40 | ||
| 4 | author: evelyn | ||
| 5 | tags: update, pressemitteilung | ||
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| 7 | Der Chaos Computer Club (CCC) veröffentlicht eine Stellungnahme zum Einsatz staatlicher Spionagesoftware nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2016. [1] Angesichts der Risiken und der Interessenkonflikte, die unweigerlich mit dem Einsatz von Staatstrojanern einhergehen, sollte von der Ausweitung der Nutzung abgesehen werden. | ||
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| 13 | Politisch wird derzeit die Ausweitung der Nutzung von Staatstrojanern | ||
| 14 | diskutiert und in einem Beschluss der Justizministerkonferenz zur | ||
| 15 | Schaffung einer rechtlichen Grundlage für die „Quellen-TKÜ“ seit Juni | ||
| 16 | 2016 gefordert. Der CCC hat auf Anfrage der thüringischen Linksfraktion | ||
| 17 | die Stellungnahme erarbeitet und stellt sie der Öffentlichkeit zur | ||
| 18 | Verfügung. Im rot-rot-grün-regierten Freistaat Thüringen war im | ||
| 19 | Koalitionsvertrag 2014 verabredet worden, Staatstrojaner aktiv zu | ||
| 20 | verhindern, anstatt die Nutzung noch auszuweiten. | ||
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| 22 | Anders als die Justizministerkonferenz argumentiert, ist aus Sicht des | ||
| 23 | CCC die „Quellen-TKÜ“ kein „unverzichtbares Instrument der | ||
| 24 | Strafverfolgung“, sondern eine mit hohen Risiken behaftete | ||
| 25 | Schadsoftware. Würde die Nutzung solcher Software ausgeweitet, | ||
| 26 | entstünden staatliche Interessenkonflikte: Denn Sicherheitslücken in | ||
| 27 | informationstechnischen Systemen sind schnellstmöglich zu schließen und | ||
| 28 | nicht von Staats wegen noch auszunutzen. | ||
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| 30 | Sofern trotz der Risiken Staatstrojaner überhaupt eingesetzt werden | ||
| 31 | sollen, fordert der CCC die rechtliche Gleichstellung der „Quellen-TKÜ“ | ||
| 32 | mit der „Online-Durchsuchung“. Zudem sollte durch eine klare | ||
| 33 | Einschränkung der Geräte, in die eine staatliche Spionagesoftware | ||
| 34 | eingebracht werden darf, einer künftigen Ausweitung der Nutzung | ||
| 35 | vorgebeugt werden. | ||
| 36 | |||
| 37 | Die „Quellen-TKÜ“ (Quellen-Telekommunikationsüberwachung) ist rechtlich | ||
| 38 | auf laufende Kommunikation beschränkt, steht aber im deutlichen | ||
| 39 | Gegensatz zum Abhören von Gesprächen auf dem Leitungsweg, weil eine | ||
| 40 | Spionagesoftware direkt in die Systeme der abgehörten Personen | ||
| 41 | eingebracht wird. Die Software nistet sich unbemerkt in das | ||
| 42 | Betriebssystem des Nutzers ein, führt eigene Programmroutinen auf dem | ||
| 43 | infizierten System aus und greift aktiv in Systemabläufe ein. | ||
| 44 | |||
| 45 | Durch diesen aktiven Eingriff in ein überwachtes Gerät wird die | ||
| 46 | Integrität des Systems zwangsläufig verletzt. Welche Seiteneffekte die | ||
| 47 | Installation einer Schadsoftware im Zielsystem anrichten kann, ist aber | ||
| 48 | nicht mit Sicherheit vorhersehbar. Der CCC fordert daher die strikte | ||
| 49 | Einschränkung der Geräte, auf denen eine solche Spionagesoftware | ||
| 50 | eingesetzt werden darf, um sicherzustellen, daß nicht Leib und Leben von | ||
| 51 | Menschen gefährdet werden, indem zum Beispiel in Geräte mit | ||
| 52 | medizinischen Funktionen eingegriffen wird. | ||
| 53 | |||
| 54 | Beim Abgreifen von Inhalten an der Quelle – also direkt im Endgerät des | ||
| 55 | Betroffenen – kann zudem nicht sichergestellt werden, daß es sich bei | ||
| 56 | den so erlangten Daten tatsächlich um laufende Kommunikationsinhalte | ||
| 57 | handelt. Wenn der Trojaner beispielsweise unvollständige oder nie | ||
| 58 | verschickte E-Mails oder Chat-Nachrichten einsammelt, handelt es sich um | ||
| 59 | eine „Online-Durchsuchung“ und ist auch rechtlich so zu behandeln. \[2\] | ||
| 60 | Denn verschriftlichte Gedankengänge oder private Notizen, die keine | ||
| 61 | laufende Kommunikation sind, dürfen im Rahmen einer „Quellen-TKÜ“ nicht | ||
| 62 | erhoben werden. | ||
| 63 | |||
| 64 | Wie schwierig eine klare Trennung zwischen zulässigen und unzulässigen | ||
| 65 | Funktionalitäten bei einer staatlichen Spähsoftware ist, wurde durch den | ||
| 66 | CCC bereits im Jahr 2011 nachgewiesen. Der „Quellen-TKÜ“-Trojaner | ||
| 67 | ermöglichte weitaus mehr als nur die Überwachung von laufender | ||
| 68 | Telekommunikation. Dem von der Firma Digitask entwickelten | ||
| 69 | Staatstrojaner wurde auch handwerklich ein vernichtendes Urteil | ||
| 70 | ausgestellt. \[3\] | ||
| 71 | |||
| 72 | ## Links: | ||
| 73 | |||
| 74 | - \[1\] [Stellungnahme zur | ||
| 75 | „Quellen-TKÜ“](https://ccc.de/system/uploads/216/original/quellen-tkue-CCC.pdf) | ||
| 76 | - \[2\] [Staatstrojaner erneut vor dem | ||
| 77 | Bundesverfassungsgericht](http://ccc.de/de/updates/2015/bkag) | ||
| 78 | - \[3\] [Chaos Computer Club analysiert | ||
| 79 | Staatstrojaner](/de/updates/2011/staatstrojaner) | ||
| 80 | - \[4\] Am 20. April 2016 urteilte das Bundesverfassungsgericht über | ||
| 81 | das BKA-Gesetz. Ein Teil dieser Entscheidung betraf die Prüfung des | ||
| 82 | Einsatzes von Staatstrojanern, sowohl für die sogenannte | ||
| 83 | „Quellen-TKÜ“ als auch für die „Online-Durchsuchung“. [Urteil des | ||
| 84 | Ersten Senats vom 20. April 2016 – 1 BvR | ||
| 85 | 966/09](http://www.bverfg.de/e/rs20160420_1bvr096609.html) | ||
